Lärm
Sie wohnen in der Stadt. Hören die Autobahn schon gar nicht mehr. Landende Flugzeuge sorgen dafür, dass Ihr Fernseher immer lauter wird.
Langsam aber sicher merken Sie, wie Sie immer unruhiger werden und manchmal sogar richtige Wutanfälle entwickeln. Aber so wirklich zuordnen können Sie das nicht.
Krankheit
Lärmbelastung ist schon seit vielen Jahren als Krankheit anerkannt. Dauerhafte Belastung mit hohen Lautstärken macht uns krank. Die Symptome sind dieselben wie bei anderen Stresserkrankungen: Herz- & Kreislaufprobleme, Depressionen, Burnout.
Aber auch bevor es zu ernsthaften Gesundheitsschäden kommt, werden erste Symptome sichtbar:
- Dauerhafter Kopfschmerz
- Herzrasen
- Ständiges Sodbrennen und generell Magenprobleme
- Extreme Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen
Vor ein paar Jahren habe ich bei mir selbst beobachtet, dass ich gegenüber Ess-Geräuschen in der Mittagspause extrem empfindlich geworden war. Ein ungewollter Schmatzer meines Gegenübers oder ein Biss auf eine Gabel und ich hätte ausrasten können – es hat mich immer viel Kraft gekostet mich im Griff zu halten. Es ging so weit, dass ich irgendwann nicht mehr in die Mittagspause gegangen bin.
Und ich bin damit nicht alleine. Wenn ich dieses Thema offen anspreche höre ich mehr als nur gelegentlich volle Zustimmung. Wir haben ein Problem. Viele von uns.
Wieso sind wir Menschen eigentlich so empfindlich?
Ich versuche es mal ohne medizinische Erklärung.
Der Mensch hat sich vor ein paar zehntausend Jahren entwickelt und hat sich seitdem kaum verändert. Wir sind heute zwar ein bisschen größer und haben weniger Haare – aber im Großen und Ganzen hat sich nicht viel zwischen damals und heute getan.
Und in dieser Zeit haben sich unsere Sinne entwickelt und die dazu gehörenden Verschaltungen im Gehirn. Wir haben tausende Jahre in einer Umwelt mit bestimmten Anforderungen gelebt und haben uns daran angepasst.
In den letzten 150 bis 200 Jahren aber hat sich die Welt um uns herum derart schnell verändert, dass wir als Menschen keine Chance hatten uns an die veränderten Bedingungen anzupassen. Wir hätten gerade einmal 3-4 Generationen Zeit gehabt.
Unsere Sinne und unser Gehirn sind auf die aktuelle Gegenwart nicht eingerichtet. Wir überfordern uns täglich. Eine gewisse Zeit lang halten wir das aus, gerade wenn wir noch jünger sind. Aber irgendwann kommt es zu Symptomen wie Unausgeglichenheit, Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfungszustände und Nervosität. Und dann ist es nicht mehr weit bis zum Zusammenbruch oder dauerhaften Schäden.
Hintergrundrauschen
Unser Alltag ist durchzogen von Lärmquellen. Jeder von uns wird diesen Beschallungen täglich ausgesetzt:
- Elektrogeräte wie Spülmaschine, Waschmaschine, Kaffeemaschine
- Störquellen wie Ladegeräte (hören Sie mal hin wie viele davon pfeifen!)
- Haushaltsgegenstände wie Kühlschrank (Umwälzpumpe), Gefriertruhe, Heizung
- Handwerker, Baulärm, Rasenmähen, Hobbyschreiner
- Installationen wie Wasserspülungen, Abwassergeräusche
- Klackern der Tastatur(!), Klicken der Maus
- Autos, Verkehr, selbst Ampeln produzieren mittlerweile Töne
- Gespräche, Diskussionen, Werbebotschaften
- Fahrtwind, Tiere, Natur
Störquellen, die man so nicht nennen darf
Es gibt aber auch viele Störquellen, die man selbstverständlich so nicht nennen darf. Dazu gehören die lieben Kollegen, die eigenen Kinder (oder die der Nachbarschaft) und unerzogene Haustiere.
Kollegen: Ich habe jahrelang in einem Büro gearbeitet, wo zwei Kollegen saßen, bei denen beinahe jedes Gespräch akustisch eskaliert ist. Weil die beiden sich nicht zugehört haben, hat jeder immer ein Stückchen lauter gesprochen. Bei längeren „Gesprächen“ führte das dann fast zu Brüll-Orgien.
Die beiden anderen Kollegen, die außerdem noch in diesem Büro gearbeitet haben, waren für diese Zeit quasi zum Nichtstun verdammt („Gedanken weggeblasen“).
Auch ständige (private) Gespräche können in einem größeren Büro zu einem Problem werden. Viele Menschen machen sich keine Gedanken darüber, dass es verschiedene Arbeitseinteilungen und Arbeitsrhythmen gibt („ich mache Pause, dann können doch alle Pause machen“). Großraumbüros haben hier ihren ganz besonderen „Charme“.
Wohnumfeld: Andere Lärmquellen sind spielende Kinder und Haustiere. Es geht mir nicht darum, ein „Feindbild“ aufzubauen. Aber es dürfte wohl unbestritten sein, dass bellende Hunde oder intensiv spielende Kinder durchaus einen gewissen „Lärm“-Pegel verursachen.
Nehmen wir an, jemand arbeitet von zu Hause aus. Ein Szenario, dass heute durchaus verbreitet ist und in den nächsten Jahr erheblich an Bedeutung gewinnen wird: Die Lärmbelastung durch den kläffenden Hund oder die Hobby-Fußballspieler kann denjenigen derart belasten, dass er keine sinnvolle Arbeit mehr getan kriegt. Dadurch steigt die Stressbelastung auch noch weiter: Termindruck, unzufriedener Auftraggeber/Chef und so weiter.
Schutz
Natürlich haben die „Opfer“ der Lärmattacken auch Möglichkeiten, sich gegen die Belastung zu wehren: Sie können Ohrenschützer tragen und in seltenen Fällen mit einem Gespräch Abhilfe schaffen.
Viel mehr Möglichkeiten haben wir in der Regel nicht.
Der „einfachste“ Weg für Heimarbeiter sind Schallschutzkopfhörer („Mickeymäuse“). Auch wenn Sie dann albern aussehen ist das manchmal der einzige Weg noch produktive Arbeit erledigen zu können.
Im Prinzip ist es so, dass Sie dem Lärm nicht ausweichen können. Sie können nur versuchen in den Bereichen, wo Sie selbst großen Einfluss nehmen können, entsprechende Maßnahmen zu treffen: Leise Spülmaschinen, wenig Elektrogeräte und so weiter.
Fazit
Vergessen wir nicht: Lärmbelastung macht Menschen krank! Es ist keine willkürlicher Marotte oder gar übertrieben egoistisches Verhalten wenn wir ein bisschen Ruhe fordern.
Unter Kollegen und in Büros sollten wir daran denken welchen wirtschaftlichen Schaden wir verursachen, wenn wir ohne Rücksicht auf Verluste unsere Befindlichkeiten herausbrüllen.
Im Privatleben sollten wir aufpassen, dass wir auch unseren Nachbarn ein möglichst ungestörtes Leben erlauben.
In den nächsten Jahren werden die vielen Lärmquellen um uns herum immer weiter zunehmen und immer mehr Menschen werden deshalb krank werden. Wir alle haben es in der Hand hier ein bisschen vorzusorgen. Wir alle sind angehalten Rücksicht zu nehmen.