Existiert das Ordnungs-Problem wirklich?

In der Selbstmanagement-Literatur und beinahe jedem Artikel zum Thema Büroarbeit finden wir Hinweise darauf, wie wir endlich Ordnung in unsere Müllhaufen bringen, den wir Schreibtisch, Büro oder Wohnung nennen. Ganze Beraterteams kümmern sich angeblich ausschließlich um das Ordnen und Entrümpeln.

Wenn wir mal krankhafte Messies außen vor lassen: Ist dieses Problem wirklich so verbreitet?

Erfahrungswerte

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Tom Barrett von katerha bei Flickr

Ich arbeite seit über einem Jahrzehnt bei verschiedenen Firmen als Berater. Dort erlebe ich entsprechend viele Kollegen, Büros und Schreibtische. Auch Schränke, Ablagen und Ordnersysteme. Und ich kann eines sagen: Chaos oder Unordnung herrscht dort praktisch nie.

Es gibt natürlich die Kollegin, die Ihre Tätigkeiten in mehrere Stapel aufteilt (und trotzdem alles findet und nur die unwesentlichen Dinge liegen lässt). Auch der Kollege, der stundenlang Ordner beschriftet und Unterlagen abheftet (auch eine Methode so auszusehen als ob man etwas produktiv tun würde) ist dabei. Und auch Simulantia mit schon bei Arbeitsbeginn völlig gestresstem Gesicht und hektischem Verhalten (und aufgeräumtem Schreibtisch) ist bekannt.

Praktisch niemand hat aber ernsthaft Probleme mit Unordnung, Unzuverlässigkeit oder Chaos.

Verbesserungspotential

Natürlich lassen sich die Arbeitsmethoden der meisten Menschen verbessern. Aber ich glaube nicht, dass das primär im Bereich Ordnung erfolgen muss.

Ich habe mich in den letzten Jahren auch mit vielen Bekannten über dieses Thema unterhalten und auch von dort keine Bestätigung bekommen, dass die Unordnung ein großes Problem wäre. Ich höre dann eher „extreme Arbeitsbelastung“, „fehlende Informationen“ und solche Dinge.

Oft wird kritisiert, dass die Zeitplanung völlig unrealistisch ist oder der Vorgesetzte Druck von Seiten seiner Vorgesetzten oder Kunden an die Mannschaft weiterreicht. Ein paar behaupten auch von sich, dass sie nicht wissen, was sie den ganzen Tag überhaupt tun sollen und sich schon jahrelang richtig schuldig fühlen. Das sind alles richtige Probleme, die unbedingt gelöst werden müssen (gerne auch mit professioneller Hilfe) – aber ich höre eigentlich nie „ich finde nix“, „der Kollege hat heftige Unordnung verbreitet“ oder „da sind mir letztens meine Stapel auf den Boden gekracht“.

Und sonst?

Ist das bei Ihnen völlig anders? Erleben Sie das tägliche Chaos wirklich? Oder fragen Sie sich auch manchmal, wieso das Thema in der Literatur so gepusht wird?

Oder ist es vielleicht so, dass wir das Problem komplett verharmlosen?

Was sagen andere?

Am 16. Januar 2012 hat der Business Insider den Artikel „Guess What? You’re Wasting Your Time If You Organize“ veröffentlicht. Darin wird unter anderem behauptet, dass das Suchen effizienter sei als das vorheriger Ordnen. Der Artikel ist einen Leseausflug wert.

2 Kommentare

  • Ich denke, hier gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Beruf und Privatleben.
    Das Messieproblem existiert definitiv, allerdings höre ich häufiger, dass diese Menschen im Job super-penibel sind und niemand darauf kommen würde, dass zu Hause es schwierig ist, einen Platz für die Kaffeetasse auf dem Schreibtisch, geschweige denn einen freien Stuhl für einen Besucher zu finden.
    Woher dieser Unterschied?
    Ich weiß es auch nicht, einige Überlegungen dazu:

    – Beruf ist – egal wie stressig er auch sein mag – klarer abgegrenzt als Privatleben, weniger umfangreich, und damit auch beherrschbarer
    – Im Beruf ist man beobachtet, kann sich nicht einfach im Chaos abschotten

    Den Artikel lese ich mir gleich mal durch, sehr interessant.

    Das Buch von Kathrin Passig kennst du, oder?

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