Nicht mehr zur Ruhe kommen
Erinnernde Smartphones, aufpoppende Terminerinnerungen, eintreffende Facebook-Nachrichten, minütlich aktualisierte RSS-Feedreader – gleichzeitig wächst der Wunsch endlich mal wieder zu entspannen, ein Brettspiel auszupacken und einen gemütlichen Abend zu verbringen.
Die verschiedenen Kalender synchronisieren sich gleichzeitig, jeder hat immer Überblick über die freie Zeit des anderen. Und nicht nur das, wir können uns gegenseitig „Termine einstellen“, unsere Workgroup-Software ist so eingestellt, dass wir automatisch Termine annehmen. Unsere festgelegten Arbeitszeiten zur Verbuchung durch Terminanfragen schließt mittlerweile auch die Mittagspause mit ein – man kann ja auch mal später gehen. Wir kommen uns schäbig dabei vor, wenn wir versuchen die Endezeiten auf 15:00 festzulegen, weil wir dann unser Arbeitszeitsoll erfüllt haben und eigentlich mal pünktlich Feierabend machen wollen. Immerhin haufen sich die privaten geplanten Aktivitäten mittlerweile auch so stark, dass wir praktisch mehr unerfüllte Aufgaben Zuhause haben und uns dort sogar noch mehr und immer komplexer organisieren, damit wir nichts vergessen. Woher sollen wir denn die Zeit nehmen, wenn wir immer so spät erst Feierabend machen können? Aber was soll es, das Meeting ist schließlich wichtig, wir wollen nicht genau das Meeting absagen müssen, was für unsere Positionierung innerhalb des Projekts vielleicht DAS Meeting ist. Also verschieben wir einfach ein paar weitere Aufgaben in der privaten Planung auf die nächste Woche… oder vielleicht doch lieber nicht, da haben wir uns schon so viel vorgenommen, schieben wir es auf übernächste… oder vielleicht doch lieber erst nächsten Monat? Ja – nächster Monat ist noch besser.
Am Wochenende machen wir dann endlich mal wieder unser Review. Wie wir das im Zeitmanagement-Seminar gelernt haben und alle predigen (mich eingeschlossen). Und wir belächeln uns selbst, weil wir die kommende Woche wieder viel zu voll gepackt haben. Dann legen wir halt eine neue Kategorie an „später entscheiden“. Und wir verschieben unsere Aufgaben, eine nach der anderen. Fühlt sich toll an, so befreiend. Endlich eine Aufgabenliste, die machbar erscheint.
Montagmorgens kommen wir dann wieder ins Büro und organisieren hier auch an unseren notwendigen Aufgaben herum. Aber leider können wir hier nicht viel schieben, wir stehen bei fast allen Aufgaben im Wort und wir wollen zumindest einen Schritt weiter kommen. Und eigentlich wollten wir uns auf das alle paar Wochen Mittwochs stattfindende Planungsgremium vorbereiten, wie wir das früher immer getan haben: Wir konnten mit verblüffend einfachen Grafiken darstellen, welche Ideen wir für das Projekt haben. Die Teilnehmer waren begeistert, weil sich mal endlich jemand konkrete Dinge überlegt hat, die gemacht werden können – alle leiden offenbar darunter, dass viele Dinge zwar besprochen aber doch nur wieder verschoben, vertagt, delegiert oder anders verteilt werden. Damit konnten wir immer punkten. Aber dazu kommen wir diese Woche leider nicht, wir haben noch zu viele andere Dinge, die wichtiger sind… halt, wir haben ja mal gelernt, dass diese Dinge eigentlich nur dringend sind, also eben dringendere Dinge. Wir wissen, dass die strategische Vorbereitung eigentlich wichtig ist, aber wir haben einfach keine große Lust mehr nach einem vollgestopften Arbeitstag auch noch diese Vorbereitungen zu machen. Die Zeitmanagement-„Experten“ sagen zwar immer, dass man diese wichtigen Dinge immer zuerst tun soll – aber die haben auch keine Kollegen, die einen bereits 5 Minuten nach dem Anmelden mit der freundlich gemeinten Anfrage unterbrechen, ob man mal eben ein paar Minuten Zeit haben würde, es sei wichtig. Wir sind Teamspieler, wir gehören dazu, wir wollen natürlich antworten.
Nach Ablauf der Woche sind die privaten Dinge wieder nicht erledigt worden. Zuhause bekommen wir das auch regelmäßig vorgehalten – die Familie stresst uns momentan doch sehr, die verstehen einfach nicht, wie sehr wir doch schon unter der Arbeitslast leiden, wir kommen doch nicht dazu die Dinge zu tun. Wann sollen wir das denn auch noch machen, wir wollen uns doch seit Monaten endlich mal wieder eine Auszeit gönnen. Und die wird immer zuerst gestrichen – wenn man ein Samstag ohne jede geplante Verpflichtung am Horizont erscheint, finden wir immer noch irgendetwas, was wir noch schnell erledigen wollen. Und noch eine kleine Sache und noch etwas. Und wir müssen ja noch kochen – als Hobby bezeichnen wir das ehrlicherweise schon lange nicht mehr. Schließlich stehen wir zu unserem Wort, wir dürfen uns da jetzt nicht herausreden. Vielleicht können wir dann doch lieber Pizza bestellen, wir waren doch den ganzen Samstag schon wieder aktiv.
Wir schauen unseren Hund an, der mittlerweile schon einfach glücklich ist, wenn wir überhaupt mal da sind und er sich neben uns legen darf. Wir haben Schuldgefühle, weil wir so wenig mit ihm unternehmen. Noch so ein Punkt für unsere Aufgabenliste. Aber wohin stellen wir das? Die Liste für kommende Woche ist doch schon wieder so voll… der Hund lebt noch ein paar Jahre, wir nehmen uns das mal für „irgendwann“ vor. Wir wissen ja, dass das wichtig ist, wir werden daran schon denken.
Samstagabend rufen die Eltern an, sie wollen uns Sonntag zum Essen zu sich einladen. Auch das noch, wir können ja schlecht absagen, gehen wir halt hin. Aber nur kurz, ich möchte wenigstens morgen ein bisschen Zeit für mich haben. Ich glaube ich gehe gemütlich baden.
Und vielleicht lassen wir dann diesmal wirklich das iPhone im Wohnzimmer liegen. Und das iPad. Obwohl… ein bisschen darüber recherchieren, wie man sich Zeit für sich selbst nimmt sollten wir vielleicht schon.
Ersetze Hund mit Kind(ern) und ich finde mich darin wieder. Tatsächlich ist das einer der Gründe, warum ich mich mit Zeitmanagement und Planern beschäftigte. Nach gefühlt 100 Tipps, sicherlich 30 Webseiten mit X verschiedenen Tipps und mehreren Typen von Planern bin ich immer noch spätestens zur Mitte des Jahres mit dem Planen so überfordert, dass ich es mehr und mehr schleifen lasse. Natürlich könnte ich die Ursachen auch in den Familienmitgliedern suchen, deren „Aufgaben“ ich (ebenfalls gefühlt) auch noch übernehme, wenn sie nicht erledigt sind, aber auch das bringt mich nicht weiter, weil ich die anderen nicht ändern kann.
Ich habe hier schon viele interessante Artikel gelesen. Der Vergleich der verschiedenen Planer war z.B. sehr aufschlussreich für mich und bin gespannt, was ich sonst noch finde. Meine Suche wird jedenfalls weitergehen und vielleicht finde ich ja irgendwann „den Stein der Weisen“ oder zumindest etwas oder jemanden, das oder der mich weiterbringt.
Vielen Dank jedenfalls für diesen sehr informativen Blog!