Planungslose Zeit
In den letzten Wochen habe ich mehr oder weniger freiwillig die Gelegenheit gehabt einen Selbstversuch durchzuführen.
Und zwar einen Versuch wie mein Leben laufen würde, wenn ich keinerlei Aufgabenlisten oder Terminkalender führen würde.
Situation
Wie das Leben so spielt. Ab und an gibt es Zeiten für jeden von uns, zu denen aktuell keine passende Tätigkeit verfügbar ist.
Mal abgesehen davon, dass man plötzlich viel Zeit für die Dinge hat, die man schon lange vor sich hergeschoben hat, fallen auch viele termingebundene Aufgaben weg. Niemand setzt Deadlines, kaum jemand möchte überhaupt eine Antwort auf die Frage nach dem „Wann?“ bekommen. Schlussendlich bleiben fast nur noch private oder selbst verschriebene Aufgaben in der Aufgabenliste.
In dieser Lage könnte man in Versuchung geraten und alle Planungsinstrumente einfach längere Zeit nicht mehr anzusehen.
Und genau das habe ich getan.
Die Welt ist untergegangen
Natürlich ist sie das nicht.
Aber es ist etwas passiert, was ich nicht so ohne weiteres gedacht hätte. Ich habe alle meine Vorhaben zeitnah umgesetzt, habe privat viele Projekte durchgeführt, die ich schon längere Zeit vorhatte – oder die uns einfach spontan eingefallen sind:
- Meine Küche hat jetzt passenden Stauraum für jedes Gewürz mit einem schönen selbstgebauten Regal und vielen lustigen Glas-Gefäßen.
- Die Tapetenschäden, die unsere Hunde veranstaltet haben, also sie noch sehr jung waren, haben wir endlich beseitigt.
- Wir haben ein neues kleines Business ins Leben gerufen und verkaufen selbstgegossene Kerzen.
- Ich habe erneut mit dem Lesen von „The Lord of the Rings“ begonnen und habe das gute Gefühl, dass ich es diesmal wirklich noch mal schaffe.
- Wir haben unsere wirtschaftlichen Prioritäten neu geordnet und wissen jetzt, wo wir in 2 Jahren stehen wollen bzw. wie wir unser Leben entwickeln möchten.
- Mir ist klar geworden, dass mir in meinem Leben ein Ausgleich zur analytischen Haupttätigkeit fehlt und ich habe herausgefunden, dass mir gemeinsame Spaziergänge in der Kälte mit meiner Lebensgefährtin unheimlich viel geben können (auch wenn ich die Gegend selbst auswendig kenne).
Diese nicht vollständige kleine Liste mag auf den ersten Blick nicht groß besonders wirken. Aber wirklich kurios daran ist, dass keiner dieser Punkte auf meine Aufgabenliste stand – nicht einmal eine Notiz dazu.
Zusätzlich zu diesen wichtigen Dingen ist natürlich auch bei uns der Alltag weitergegangen. Ich investiere viel Zeit in die Auftragsakquise und nutze die freie Zeit für umfangreiche Weiterbildungen und für den Feinschliff meiner Skills. Meine Koch-Fähigkeiten werden immer routinierter und ich genieße es, wenn ich stundenlang Nudeln machen kann (meine aktuellste Errungenschaft sind selbstgemacht Tortellini).
…und was hat das jetzt mit Planung zu tun?
Die eigentlich wichtige Erkenntnis für mich ist, dass ich all diese Dinge, die mir selbst sehr wichtig sind, völlig ohne Zielvorgaben und Aufgabenlisten erreicht habe. Selbstverständlich habe ich mir viele Dinge notiert und auch ich muss immer noch einige Termine einhalten. Aber hinter all dem steckt kein großer Plan – jedenfalls keiner, den ich vorher schriftlich mit hochentwickelten Methoden ausgefeilt hätte.
Ohne Planung und ohne Ziele zu sein hat offensichtlich keine so gravierend negativen Auswirkungen, wie gerne glauben gemacht wird. Auch ich selbst habe früher angenommen, dass ich nur mit einer sehr genauen Zielplanung wirklich auf „meine“ Ziele zusteuern könnte.
Es hat sich herausgestellt, dass zumindest kleine und wertvolle Entwicklungen keiner großen Planung bedürfen, wenn genug Zeit und wenig Ablenkung vorhanden ist.
Man könnte durchaus mal provozierend in den Raum werfen, dass eine vollgepackte und perfekt durchgestylte Planung eigentlich nur eines tut: Vom wichtigen ablenken 😉
Genau, immer mal wieder Tage haben, wo man sich dem zuwendet, was man aus dem Moment heraus für sinnvoll hält…
Heute ist auch so ein Tag für mich 😉