Zeitplanbuch out?

Spätestens in den 80ern des letzten Jahrhunderts (klingt irgendwie total weit weg, oder?) waren Zeitplanbücher das Nonplusultra der Zeitplanung.

Eine Zeit lang hießen die mobilen Ordner auch Filofax (so wie Tempo… nach einem Hersteller benannt) und es gab (und gibt) eine große Auswahl an solchen Papier-Sammel-Systemen.

Haben sich Zeitplanbücher eigentlich überlebt – hat die Technik die Ordner überflüssig gemacht?

Ehrlich gesagt bin ich mir da nicht so sicher. Zwar hat die Technik in den letzten 10 oder 15 Jahren kräftig aufgerüstet und es gibt eigentlich alles, was wir uns so wünschen können – aber wurden dadurch klassische Planungsinstrumente überflüssig?

Zum einen haben sich die „alten“ Systeme über viele Jahre hinweg bewährt. Menschen haben damit gearbeitet und hatten den Erfolg, den sie sich erhofft hatten: durch eine systematische Planung haben sie Zeit gewonnen für Dinge, die ihnen wichtiger erschienen. Gerade Führungskräfte mit einem erheblichen Arbeitspensum konnten mit Hilfe einer systematischen Methode mehr in ihren Arbeitstag „quetschen“ und so regelmäßig wenigstens halbwegs pünktlich ihren Feierabend einhalten.

Durch die rasante Entwicklung der elektronischen Medien und der Tendenz, dass wir Computern erhebliches zutrauen, hat sich die Realität, so möchte man meinen, ein wenig verschoben: dank ausgefeilter Technik und multimedialer Unterstützung sollen wir heute viel „flüssiger“ und „effizienter“ sein.

Ich bin da aber nicht so sicher.

Zum einen habe ich bisher keinen Beweis dafür gesehen, dass das Instrument die Planung oder die Zeiteinteilung verbessert. Zum anderen ist es wohl unbestritten, dass die Vielfalt, mit der wir heute im Berufs- und Privatleben konfrontiert werden erheblich zugenommen. Wir müssen viele Informationen verarbeiten, mehr Vereinbarungen einhalten, als je zuvor und… wir verschwenden mehr Zeit als je zuvor.

Zeitverschwendung?

Ja aber natürlich. Wir klagen in unserer Freizeit häufig über „zu wenig Zeit“ oder „ich habe schon zu viel zu tun, ich kann nicht noch mehr Projekte stemmen“. Aber, wenn wir mal wirklich ehrlich zu uns sind, woher kommen diese Schwierigkeiten eigentlich?

Ich bin jetzt einmal ehrlich. Sie kommen durch die elektronische Welt. Durch die Vielfalt. Ich verbringe viele Stunden am Tag mit dem Internet. Ich lese viele Blogs, lese Nachrichtenseiten und beschaffe mir Informationen zu Themen, die mich aktuell interessieren. Wie ein Schwamm – ich kann gar nicht genug bekommen.

Aber… hat mir die elektronische Entwicklung je wirklich Entspannung gebracht? Habe ich dank PDAs wirklich mehr Zeit für die Dinge gewonnen, die ich eigentlich wollte?

Für mich kann ich das klar beantworten: Auf keinen Fall, niemals, eher im Gegenteil.

Meine Aufgabenlisten sind voll mit dringenden aber strategisch eher unwichtigen Aufgaben. Ich muss den Garten zurückschneiden, meinen Keller weiter ausbauen, Karten für ein Musical besorgen, eine DVD mit Bildern brennen, einen Lichtschalter in einem meiner Räume ersetzen… was davon ist eigentlich _wirklich_ wichtig für MICH?

Nichts.

Genau das ist das Problem. Auch mit noch so hochentwickelter Technik und Methodik verlieren wir im Alltag immer wieder aus den Augen, was wirklich für uns selbst von Bedeutung ist.

Aber ist das eigentlich ein Problem?

Haben die Menschen je anders gelebt?

Ich glaube die Menschen, die wirklich etwas bewegt haben (Goethe – Farbenlehre und Dichter, Wagner – begnadeter Komponist, Peter Ustinov – Multitalent in jeder Hinsicht und einfach ein Sympath), haben vermutlich wenig die Dinge im Fokus gehabt, die aktuell dringend sind (ich bezweifle nicht, dass auch Goethe Rechnungen bezahlt hat) sondern eher die Dinge, die von wirklicher Wichtigkeit waren (Goethe hat große Teile unserer heutigen Farbenlehrer entwickelt). Auch wenn alle anderen nicht davon überzeugt waren (ich bin überzeugt, dass viele seiner Sozialkontakte dieses „Hobby“ eher belächelt haben) – sie haben festgehalten.

Tun wir das dank moderner Techniken?

Nie im Leben. Wir fokussieren auf das Dringende – das zeitlich drängende, die Dinge, die eigentlich banal sind und flott erledigt sind.

Ein Zeitplanbuch hat nicht – genausowenig wie das ein PDA tut – etwas an unseren Prioritäten geändert. Es konnte sie nur verwalten.

In sofern: Das Zeitplanbuch ist natürlich nicht out. Auch ein PDA ist nicht out. Aber beide helfen uns genau gar nicht, wenn es darum geht, die für uns richtigen Entscheidungen zu treffen.

Deshalb ist Methodik so wichtig. Oder… um es mal völlig nüchtern zu betrachten… gesunder Menschenverstand und möglichst wenig Ablenkung durch angebliche Gurus und die angeblich so schnelle Gegenwart.

Wir haben es in der Hand.

3 Kommentare

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  • Hallo Mirko,

    vielleicht müsste man differenzieren: Wir brauchen Systeme, die uns im Alltag helfen, all die vielen Dinge, die getan werden müssen, zu tun. Die Welt ist recht komplex geworden und wir müssen damit klar kommen. Da wäre die Frage, wie effizient sind die Systeme. Gerade bei Aufgabenlisten ist für mich die Variante am Computer (benutze taskcoach) viel effizienter, als ein Zeitplanbuch. Habe in den 90er Jahren auch viel mit Zeitplanbuch gearbeitet. Die Übersicht geht schnell verloren, wenn man viele Aufgaben hat. Die hierarchische Aufgabenstruktur und das Ausblenden von Aufgaben, die erledigt sind, sind große Vorteile der Computer-Variante. Die kann Papier so nicht bieten. Ebenso terminierte Aufgaben.

    Ein Nachteil des Computers ist: Wie findet man ein langfristig verfügbares System? Computersachen überleben sich so schnell. PDAs und Smartphones noch schneller. Man muss sich öfters umstellen und das kostet auch wieder jede Menge Zeit. Bisher hab ich es zumindest geschafft, jeweils so etwa 5-8 Jahre mit einem System arbeiten zu können. Time/System als Papier hingegen gibt es seit 30 Jahren nahezu unverändert. Das schafft keine Computerlösung.

    Ein weiterer Nachteil des Computers: Alle Informationen immer überall aktuell dabei zu haben. Ich hab derzeit meinen Kalender nur auf meinem Computer im Büro, weil eine vernünftige Synchronisation mit den aktuell genutzten mobilen Geräten nicht richtig funktioniert. Cloud-Lösungen will ich aus Datenschutzgründen nicht. Auch bleibt das Eintippen auf mobilen Systemen oft ein Krampf, da ist Papier einfacher und flexibler.

    Auf der anderen Seite gibt es die davon ziemlich unabhängige Frage nach den wirklich wichtigen Dingen im Leben und wie man sich diesen zuwendet. Da sehe ich es ähnlich wie du, die finde ich vor allem dort, wo ich das Buch zuklappe oder den Computer ausschalte. Wenn ich mir Zeit nehme und den Kopf frei bekomme, von all dem Kram, der so im Alltag an mir zerrt. Das Zeitplanbuch kann mir aber zumindest dabei helfen, mich regelmäßig daran zu erinnern, mal von allem loszulassen. Und eine Rubrik „Wesentliches“ kann man sich ja auch anlegen 😉

    • Ich deutete es im Artikel ja bereits an, ich glaube nicht, dass das Instrument die Lösung unserer Probleme ist. Für manche ist es der Computer und für andere eine Serviette. Entscheidend ist eher, was wir genau eigentlich verwalten. Aufgabenlisten mit Dutzenden Aufgaben sind meiner Erfahrung nach eher Sammelbecken für Dringlichkeiten oder ersetzen die eigentliche (Projekt-)Planung. Beispiele dafür sind Aufgabenlisten bei Großprojekten. Das sind keine klassischen Aufgabenlisten in unserem Sinne sondern Planungsvorschriften. Es mag Ausnahmen geben.

      Meine persönlichen Lieblingsinstrumente sind Papier und Stift. Zusammen mit ein wenig Methodik und ein paar grundlegenden Gedanken wie „was ist für mich wichtig“, „welche Dinge sind die wichtigen 80%“, „ist mir das wirklich wichtig“ und anderem versuche ich so wenige Aufgaben wie möglich zu notieren – und idealerweise alle davon zu erledigen.

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